Die Bewertung freiberuflicher Praxen, wie Arztpraxen, Architekturbüros oder Anwaltskanzleien, bleibt in gängigen Standards wie IDW S1 oder den IFRS unzureichend definiert. Jedoch hat der BGH klare Leitlinien für die Bewertung des Goodwills in solchen freiberuflichen Praxen entwickelt.
Das ist neu im IDW Bewertungshinweis 1/2023
Der IDW Bewertungshinweis 1/2023 ist eine aktualisierte und umbenannte Fassung des bisherigen IDW Praxishinweises 2/2018. Er wurde in seiner aktuellen Version im September 2032 verabschiedet und in der Ausgabe 10/2023 der IDW Life veröffentlicht.
- Einige Begriffsdefinitionen wurden klargestellt, insbesondere in Bezug auf Kapitalstruktur und Ausfallrisiken.
- Auch wurden detaillierte Informationen zu Insolvenzkosten und den daraus resultierenden Änderungen in den operativen und Kapitalstrukturrisiken hinzugefügt.
- Hinweise zu Indikatoren für Ausfallrisiken, einschließlich der Bedeutung von Ratings, wurden erweitert.
- Eine weitere Ergänzung betrifft die Bewertung von stark verschuldeten Unternehmen, bei denen eine herkömmliche objektive Bewertung generell nicht möglich ist. Hier wurde die Möglichkeit einer objektiven Bewertung unter der Bedingung einer erfolgreichen Sanierung aufgenommen.
Verschiedene Verschuldungsgrade im Überblick
Der Hinweis verdeutlicht die Unterscheidung zwischen hochverschuldeten und überhöht verschuldeten Unternehmen. Ersteres bezieht sich auf Firmen, deren Verschuldungsgrad mit einem materiellen Ausfallrisiko in Verbindung steht, entweder zum Bewertungsstichtag oder in der Zukunft. Selbst wenn kein unmittelbares Ausfallrisiko vorliegt, werden Unternehmen als "hochverschuldet" betrachtet, wenn ihr Verschuldungsgrad erheblich über dem ihrer Peer Group liegt und somit ein zukünftiges Ausfallrisiko droht. Bei überhöht verschuldeten Unternehmen ist ohne erfolgreiche finanzielle Sanierungsverhandlungen kein mittelfristiges Fortbestehen des Unternehmens möglich.
Kapitalstruktur- und Ausfallrisiken
Insgesamt hebt der IDW Bewertungshinweis 1/2023 die Komplexität der Kapitalstruktur- und Ausfallrisiken hervor und liefert konkrete Handlungsanleitungen für Bewertungsexperten.
Hierbei präzisiert der IDW:
- Kapitalstrukturrisiken im engeren Sinne beziehen sich auf die erhöhten Schwankungsrisiken der bewertungsrelevanten Zahlungsströme aufgrund eines erhöhten Verschuldungsgrads.
- Ausfallrisiko beschreibt das Risiko des teilweisen oder vollständigen Abbruchs von erwarteten oder vertraglichen Zahlungsströmen im Laufe der Zeit. Es bezieht sich auf die individuellen "Ausfallwahrscheinlichkeiten" der Zahlungsströme an die verschiedenen Kapitalgeber.
Insolvenzkosten und ihre Auswirkungen auf die Bewertung von Unternehmen
Aufbauend auf diese Begriffsklärung nennt der Hinweis diese zentralen Punkte für eine umfassende Risikoanalyse:
- Berücksichtigung von Insolvenzkosten: Die Kosten im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren sind detailliert zu analysieren und ihre Auswirkungen auf operative und Kapitalstrukturrisiken zu verstehen.
- Erweiterung von Ausfallrisiko-Indikatoren: Der Hinweis betont die Bedeutung von Ratings und schlägt vor, weitere Indikatoren zur Bewertung von Ausfallrisiken zu berücksichtigen.
- Insolvenzkosten im engeren Sinne: Insolvenzkosten werden in engerem und weiterem Sinne betrachtet. Im engeren Sinne sind sie direkt mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens verbunden, wie Gerichtskosten und Beraterhonorare. Diese Kosten sind insbesondere bei überhöht verschuldeten Unternehmen zu berücksichtigen.
- Insolvenzkosten im weiteren Sinne: Dies umfasst auch die Auswirkungen des steigenden Verschuldungsgrads auf die operativen Geschäftsmodelle. Veränderungen in den Zahlungsströmen aufgrund von Stakeholder-Reaktionen auf die steigende Verschuldung sind inbegriffen.
- Analyse und Anpassung: Wirtschaftsprüfer sind verpflichtet, eine Plausibilitätsbeurteilung durchzuführen, um zu überprüfen, ob die Managementplanung angemessen ist und Anpassungen erforderlich sind.
- Vergleich von Insolvenzkosten: Die Insolvenzkosten können durch den Vergleich von Unternehmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen, aber unterschiedlichen Verschuldungsgraden, erklärt werden. Die Differenz zwischen diesen Unternehmen stellt die Insolvenzkosten dar. Dieser Unterschied kann mithilfe eines Peer-Group-Vergleichs ermittelt werden.
- Einfluss auf den Unternehmenswert: Mit zunehmender Verschuldung haben Ausfallrisiken und Insolvenzkosten einen signifikanten Einfluss auf den Gesamtunternehmenswert und die Marktwerte der Kapitalgeber. Daher wird empfohlen, die Ausfallwahrscheinlichkeiten je Kapitalgeber differenziert zu betrachten, einschließlich der Risiken des Ausfalls von Ansprüchen anderer Stakeholder.
Indikatoren für Ausfallrisiken und ihre Bedeutung
Im IDW Bewertungshinweis 1/2023 werden auch die Indikatoren für Ausfallrisiken, insbesondere die Bedeutung von Ratings, detailliert behandelt.
Anhaltspunkte für hohes Ausfallrisiko: Ein hohes Ausfallrisiko kann sich aus niedrigen Kreditratings, Rating-Herabstufungen oder anderen Kennzahlen ergeben, die auf eine angespannte Finanzierungssituation hinweisen. Der FAUB empfiehlt, diese Anhaltspunkte in Verbindung mit weiteren Indikatoren, die die Finanzierungssituation widerspiegeln, sowohl auf Gesamtunternehmensebene als auch auf Ebene der einzelnen Kapitalgeber differenziert zu bewerten.
Credit Spreads und strukturelle Modelle: Zur Beurteilung von Ratings und der ermittelten Ausfallwahrscheinlichkeit können Credit Spreads aus gehandelten Fremdkapitaltiteln oder Credit Default Swaps genutzt werden. Diese beinhalten zusätzlich zur Ausfallwahrscheinlichkeit auch Risikoaufschläge und andere preisbildende Komponenten.
