Die Bewertung freiberuflicher Praxen, wie Arztpraxen, Architekturbüros oder Anwaltskanzleien, bleibt in gängigen Standards wie IDW S1 oder den IFRS unzureichend definiert. Jedoch hat der BGH klare Leitlinien für die Bewertung des Goodwills in solchen freiberuflichen Praxen entwickelt.
Worin besteht das Grundprinzip des Multiplikator-Verfahrens?
Am Aktienmarkt zählen Bewertungsverfahren auf der Basis von Multiplikatoren seit je her zu den am häufigsten angewendeten Verfahren in der Unternehmensbewertung. Abhängig von der Branchen- und Wettbewerbsstruktur des betreffenden Bewertungsobjektes gelten gerade im angelsächsischen Raum Multiple-Bewertungen mitunter sogar als primäre Form der Unternehmensbewertung bei Börsengängen und M&A-Transaktionen. Auch in Deutschland werden Multiplikatoren in der Unternehmensbewertung regelmäßig eingesetzt, wenn gleich sie in der Bewertungspraxis überwiegend als vereinfachte Form der Preisfindung hinter den primären Methoden der Kapitalwertkalküle stehen und damit eher als Plausibilisierungsinstrument dienen.

Das Multiplikatorverfahren als relative Bewertungsmethodik basiert auf einer vergleichenden Preisbestimmung mit einem äußerst simplen Grundprinzip, dass aus drei Schritten besteht.
Schritt 1: Suche Unternehmen, die mit dem Bewertungsobjekt vergleichbar sind
Schritt 2: Bilde den Quotienten von Unternehmenswert der Vergleichsunternehmen und einer erfolgsrelevanten Größe für diese Vergleichsunternehmen
Schritt 3: Übertrage dieses Verhältnis auf das Bewertungsobjekt
Welche Idee steht hinter der Multiplikatorbewertung?
Die Kapitalmarkttheorie kennt das Prinzip der effizienten Kapitalmärkte. Wertpapiere die gleich sind, sollten auch den gleichen Preis haben. Anderenfalls böten sich dem Kapitalmarktteilnehmer günstige Kauf- oder Verkaufsgelegenheiten, die zu einer Preisangleichung führen würden. Gleicher Preis heißt in diesem Kontext z.B. „gleicher Preis in Relation zum Jahresüberschuss“.
Kostet ein dem Bewertungsobjekt vergleichbares Unternehmen das 12,0-fache des Jahresüberschusses, dann sollte diese Relation auch annähernd für das Bewertungsobjekt gelten. Überschaubare Abweichungen sind selbstverständlich möglich, Unternehmen unterscheiden sich letztlich doch in verschiedenen Punkten, die Größenordnung sollte aber grundsätzlich stimmen.
Wie lassen sich Multiplikatoren systematisieren?
Multiplikatoren lassen sich grundsätzlich für eine Vielzahl von Basisgrößen definieren und sich folgendermaßen systematisieren:
- Entity vs. Equity
- Bestandsgröße vs. Stromgröße
- Trailing vs. Forward
- Trading vs. Transaktion
- Monetär vs. nicht monetär
Equity-Multiplikatoren setzen eigenkapitalbezogene Größen zur Marktkapitalisierung ins Verhältnis (Beispiel: KGV). Entity-Multiplikatoren betrachten hingegen gesamtkapitalbezogene Größen, d.h. neben dem Marktwert des Eigenkapitals wird auch das Fremdkapital berücksichtigt, um zum sog. Enterprise Value zu gelangen (Beispiel: Enterprise Value/ EBITDA).
Bestandsgrößen-Multiplikatoren referenzieren auf eine Bilanzgröße (Beispiel: Kurs-Buchwert-Verhältnis), wohingegen Stromgrößen-Multiplikatoren auf eine Ergebnis- oder Cashflow-Größe (Beispiel: Enterprise Value/ EBITDA) abstellen.
Trailing-Multiplikatoren referenzieren auf eine historische Referenzgröße, z.B. den Umsatz des abgelaufenen Geschäftsjahres, während Forward-Multiplikatoren auf eine zukunftsgerichtete Größe zielen, z.B. auf den erwarteten Umsatz für das laufende Geschäftsjahr.
Trading-Multiplikatoren werden auf Basis des laufenden Aktienhandels von börsennotieren Unternehmen ermittelt, Transaktions-Multiplikatoren hingeben werden auf Basis von IPOs, privaten M&A-Transaktionen oder größeren Kapitalmarkttransaktionen bestimmt.
Monetäre Multiplikatoren beziehen sich auf finanzielle Erfolgsgrößen, sie dominieren die Bewertungspraxis. Grundsätzlich sind aber auch nicht-monetäre Multiplikatoren anwendbar.
Wann ist welcher Multiplikator anzuwenden?
Die praktische Anwendung er Multiplikator-Bewertung wird von einer Vielzahl an Kriterien bestimmt. Hier einige Beispiele dafür, welche Kriterien bei der richtigen Auswahl der angewendeten Multiplikatoren relevant sein können.
Datenverfügbarkeit: Daten für die Ermittlung von Trading-Multiples haben eine höhere Verfügbarkeit als transaktionsbasierte Daten, wenngleich dies im Einzelfall von der sog. Coverage durch Analysten, der Markt- und Lebenszyklusphase des Bewertungsobjektes und anderen Faktoren abhängen kann.
Finanzwirtschaftliches Risiko: Je stärker sich der Verschuldungsgrad der Vergleichsunternehmen und des Bewertungsobjektes unterscheiden, desto eher sollte einer Entity-Bewertung der Vorzug gegeben werden.
Analystenschätzungen: Für Forward-Trading-Multiple, dem Standard in der Multiple-Bewertung, gehen in die Ermittlung des Multiplikators in der Regel Analystenschätzungen ein. Deren Qualität ist umso höher, je weiter oben in der Gewinn- und Verlustrechnung und je kürzer der Schätzungszeitraum ist. Ein 1-Jahres-Umsatz-Multiple hat eine deutlich höhere Qualität als ein 3-Jahres-Gewinn-Multiple.
Profitabilität: Die Anwendung von Multiplikatoren erfordert einen sinnvollen Bewertungskontext. Unternehmen mit einer Verlust- oder gar Überschuldungssituation können nicht auf Basis des Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buch-Verhältnisses bewertet werden.
Wachstumsaussichten: Je heterogener die Wachstumsaussichten von Vergleichsgruppe und Bewertungsobjekt sind, desto wichtiger ist es, diesen Werttreiber adäquat zu berücksichtigen. Hier bietet beispielsweise die PEG-Ratio eine Alternative zu den herkömmlichen Multiplikatoren.
Marktstandards: Für einige Branchen haben sich Marktstandards etabliert. Im Bankenbereich gilt das Kurs-Buch-Verhältnis als oft genutzter Multiplikator, insbesondere auch deshalb, weil viele Banken aufgrund der Anwendung von IFRS / US-GAAP sehr marktnah bilanzieren. In Branchen mit einem hohen Anteil immaterieller nicht bilanzierter Vermögenswerte in der Wertschöpfungskette hingegen ist das Kurs-Buch-Verhältnis nahezu aussagelos.