Die Bewertung freiberuflicher Praxen, wie Arztpraxen, Architekturbüros oder Anwaltskanzleien, bleibt in gängigen Standards wie IDW S1 oder den IFRS unzureichend definiert. Jedoch hat der BGH klare Leitlinien für die Bewertung des Goodwills in solchen freiberuflichen Praxen entwickelt.
Was sind übliche Multiplikatoren und wo ist der Einfluss des Verschuldungsgrads in der Multiplikatoren-Bewertung am größten?
Multiplikatoren dienen regelmäßig der Plausibilisierung in Unternehmensbewertungen. Im kapitalmarktorientierten Umfeld werden Multiplikatoren-Bewertungen sogar häufig als primäre Bewertungsmethode genutzt. Nicht jedem Anwender ist dabei bewusst, dass ähnlich wie bei der Bestimmung des Beta-Faktors der Verschuldungsgrad in der Multiplikatoren-Bewertung Einfluss hat.

Die gängigsten Multiplikatoren sind EBITDA(x) und EBIT(x) sowie das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das sog. KGV. Die Fokussierung auf Ergebnis-Multiplikatoren liegt zum einen daran, dass diese transparent ermittelt werden können. Zu anderen haben die für die Ermittlung der Multiples erforderlichen Analystenschätzungen zur künftigen Geschäftsentwicklungen börsennotierter Vergleichsunternehmen auf Ebene des Betriebsergebnisses und des Gewinns in der Regel eine deutlich bessere Qualität als für Cashflow-Größen. Viele Bewerter sind in der Auswahl einer geeigneten Gruppe an Vergleichsunternehmen, in der Bestimmung dieser Multiplikatoren und in der Anwendung auf das Zielunternehmen erfahren, handwerkliche Fehler passieren hier selten.
Wenigen Anwendern ist im Zusammenhang mit Multiple-Bewertungen hingegen klar, in welchem Ausmaß der Verschuldungsgrad der Vergleichsunternehmen und der des Zielunternehmens Einfluss auf den ermittelten Wert haben kann. Bei Gesamtwert-Multiplikatoren, z.B. dem EBITDA( x) und dem EBIT (x); hält es sich dieser Effekt noch in Grenzen, obwohl auch hier ein gewisser Einfluss über das Tax-Shield besteht. Evident allerdings und nicht vernachlässigbar wird der Effekt beim KGV, wie nachfolgend skizziert werden soll.
Woher kommt der starke Einfluss des Verschuldungsgrads auf das KGV?
Leverage ist ein „Risiko-Hebel“. Das dies so ist, ist jedem Anwender bekannt, der das CAPM im Rahmen des WACC-Verfahrens und der DCF-Bewertung einsetzt. Ein höherer Verschuldungsgrad bedeutet mehr finanzielles Risiko für den Eigentümer, mithin ein höheres levered Beta und damit höhere Eigenkapitalkosten. Gleichzeitig stehen Multiple und Kapitalkosten in einem inversen Verhältnis. In einem stabil wachsenden Unternehmen („Steady State“) sind Multiples aus den Kapitalkosten direkt ableitbar und vice verse.
Die Formel der „ewigen Rente“ kann hier als (grobe) Indikation verstanden werden, welcher Art der Zusammenhang zwischen Kapitalkosten und Multiple ist. Ein höherer Leverage bedeutet somit höhere Eigenkapitalkosten und damit ein geringeres KGV. Dies ist letztlich auch intuitiv, bei zwei Unternehmen mit gleich hohem Gewinn aber unterschiedlichem Risiko würden Anleger für das riskantere Unternehmen in der Regel weniger zahlen als für das weniger riskante, d.h. ein geringeres Vielfaches des Gewinns.
Wann kann der Effekt hoch sein? Welche Alternativen hat der Bewerter?
Bewertungsfehler entstehen immer dann, wenn der durchschnittliche Verschuldungsgrad der Vergleichsunternehmen und der des Zielunternehmens stark auseinander fallen. Bei der Ermittlung der Eigenkapitalkosten führt dies schnell zu deutlichen Unterschieden. Unter sonst gleichen Bedingungen steigen Eigenkapitalkosten von 10% bei einem Verschuldungsgrad von 100% auf 15%. Das KGV sollte in diesem Fall bei einem langfristigen Wachstum von 2% von 12,5(x) auf 7,7(x) sinken.
Obwohl dieser Effekt gravierend ist, wird eine entsprechende Anpassung empirischer Multiples üblicherweise nicht vorgenommen, der zuvor beschriebene Risiko-Aspekt findet also keinen Eingang in die Bewertung. Der Bewerter sollte in solchen Fällen stärker auf Gesamtwert-Multiplikatoren setzten, z.B. EBITDA(x) oder EBIT(x). Der Fehler ist hier deutlich geringer, da die Abhängigkeit vom Leverage vergleichsweise gering ist.